Freitag, 5. Mai 2017

Donnerstag, 04. Mai 2017 (Tag 8): "Morgensonne, Bergetappe & Nachtfahrt"



Nach der gestrigen Hagel-, Regen-, Gewitteretappe war die Morgensonne prächtig. Nach dem Frühstück sah ich kurz nach dem Velo. Es war weg. Nun gut, abwarten und an der Reception fragen, notfalls reise ich mit Zug, Bus oder was auch immer weiter... Im Zimmer also alles gepackt und zum Auschecken, da werde ich gleich informiert, dass der Portier das Velo im Lift hochgebracht habe, es sei unten nicht sicher... Also alles gut. Alles wieder nach unten transportiert, Velo gepackt und dann noch in einem Kaffee einen Nes genossen. Die Sonne hat schon richtig Power...
Kurz nach zehn Uhr fahr ich dann los. Geplant ist für heute Pejë im Kosovo. Oder allenfalls Rožaje in Montenegro, je nach Zeit. Zwischen den beiden ist ein happiger Aufstieg von etwa 1000m zu bewältigen, das benötigt Zeit... Also fahre ich, es ist angenehm warm und das Navi führt mich heute etwas in die Irre... aber ich schaff es doch auf die geplante Route. Im übrigen für die fleissigen Blog-VerfolgerInnen, mit Novi Pazar bin ich wieder auf meiner ursprünglichen Route gelandet, dies ist seit dem dritten Tag das erste Mal wieder. Seither fuhr ich andere Routen als vorgesehen. Nun also wieder ganz nach Plan und schon bald beginnt es mit stetiger Steigung. Die Laune ist dem Wetter entsprechend gut. Auf einem Kiesweg am Ortsrand versucht mir ein Junge etwas zu sagen... ich verstehe ihn nicht wirklich, Autobus, Taxi, "bicicl" ist das einzige was ich verstehe. Ich habe den Eindruck, er will mir sagen, dass ich das Velo auch im Bus oder im Taxi mitnehmen könne :-) schliesslich nenne ich die nächste Ortschaft und er zeigt mir grob den Weg und ich fahre weiter. Ich komme wieder auf befestigte Strasse, was ich doch sehr schätze. Es sind wieder idyllische Landschaften, die den Aufstieg begleiten. So gegen Mittag werden wieder dunklere Wolken sichtbar. Das macht mir nicht besonders Freude, aber so ist es nun mal. Noch ist alles trocken und die dunklen Wolken noch in der Ferne. Ich behalte sie aber gut im Auge. Nach einer Weile komme ich ihnen trotzdem näher, sie sind aber nicht ganz so schwer wie die gestern und es sieht weniger nach Gewitter aus. Auch ist der blaue Himmel rundum und dazwischen noch sichtbar. Es kommt aber der Moment, wo ich Tropfen spüre, bald auch relativ grosse. Daher mache ich mich gleich regenfest. Das ist immer so eine Sache, zu früh und nur für einige Tropfen lohnt sich nicht, da schwitze ich um so mehr und bin genauso so nass. Montiere ich zu spät, könnte ich es auch gleich lassen, da sowieso schon alles nass ist. Heute war ich wohl doch zu früh, die Tropfen hören wieder und die Sonne wärmt. Aber es ist jederzeit ein Wechsel möglich, noch kreisen die grauen Wolken über mir.
Dann treffe ich auf einen älteren Herrn, er steht auf der Strasse, fackelt die Wiese am Strassenrand ab oder behält das Feuerchen im Auge. Er spricht kein Englisch. Aber Deutsch. Nachdem er sich über meine Reise informiert hat meint er, langsam aber sicher, das ist gut. Ich fahre weiter. Es kommen wieder Tropfen, dann hört es wieder. Nachdem ich bereits auf knapp über 1000m.ü.M. war, geht es wieder abwärts. So erreiche ich Tutin. Nach der Durchfahrt wäre es Zeit für eine Mittagsrast. Doch es ist keine schöne Umgebung hier. Geröll, Abfall, es stinkt... ich fahre weiter, es geht nun eher flach. In der Ferne sind Gebirge sichtbar, Montenegro naht. Über dem Gebirge hängen auch wieder graue Wolken. Am Strassenrand sehe ich ein kleines Rasthüttchen und da die Gegend auch sonst gerade leicht angenehmer ist, entschliesse ich mich hier für eine Pause. Daneben ist gleich ein Brunnen, immer wieder halten Autos und Leute steigen mit vielen Petflaschen aus und füllen diese mit Wasser.
Nach der Mittagspause fahre ich weiter, es geht wieder aufwärts und es tropft wieder zwischendurch. Bald erreiche ich die grössere Strasse, die nach Montenegro führt. Viel Verkehr herrscht aber auch hier nicht. In den Dörfern sind oft SchülerInnen jeden Alters unterwegs, meist in Gruppen. Ich nehme an sie gehen zu oder kommen von der Schule.
So komme ich vorwärts und um etwa halb drei bin ich an der Grenze. Serbien adé. Dann geht's durch etwas "Niemandsland", die Landschaft nun felsig und spannend. So wie ich es von Montenegro kenne. Die Sonne ist nun aber weg und es ist schon etwas kühler. Dann kommt auch der Landeseingang nach Montenegro. Problemlose Einreise. Und es steigt wieder leicht, dafür gibt es Einblick in eine tolle Schlucht. Faszinierend. Für mich ist mittlerweile Rožaje zum Tagesziel avanciert, das Wetter und die eher fortgeschrittene Zeit haben mich dazu bewogen. Und in der Ferne, etwa dort wo ich annehme, ginge es in den Kosovo über, sind die Bergspitzen noch süss gezuckert. Mit den immer noch dunklen Wolken befürchte ich in diesen Höhen auch etwas Schneegestöber.
Also fahre ich nun nochmals auf über 1000m.ü.M. und dann geht's wieder etwas abwärts und ich erreiche Rožaje. Geld abgehoben, jetzt benötige ich € und dann einen Nes getrunken. Es ist etwa halb fünf. Das einzige Hotel ist ausgestorben, wirkt verlassen. Nun was tun? Der Ort ist nicht so gross und nicht besonders touristisch. Rückkehr zum ursprünglichen Tagesziel? Noch 40Km und rund 1000 Höhenmeter? Der Anstieg ist auf etwa 15-20Km, danach geht's nur noch abwärts... Es sollte machbar sein in 2-3 Stunden oben zu sein... Also fahre ich kurz vor fünf Uhr erneut los. Gleich zu Beginn eine arge Steigung. Hier sind wieder Kinder auf dem Heimweg, einer will sich immer unterhalten, mitten am Berg fällt mir das nicht gerade leicht, aber ich geb' mir Mühe ;-)
Dann geht's aus dem Ort, mal etwas abwärts, dann flach, dann vor allem wieder aufwärts. Es ist frisch, aber das Fahren wärmt. Eine halbe Banane gab es noch zur Stärkung. An weiterem Proviant sind nebst drei kleinen Päckchen gesalzenen Erdnüssen noch zwei Riegel vorhanden. Und zwei Streichkäsli. Das ist dann aber alles. Um 18 Uhr ziehe ich erste Bilanz. Etwas über 8Km und rund 350 Höhenmeter, das kommt gut. Ein Riegel zur Stärkung und Weiterfahrt. Ich habe aber langsam auch richtig Hunger. Lange hält der Riegel nicht. Ich merke, dass ich kämpfen werden muss. Die ersten Erdnüsse. Auch die halten nur kurz, nach etwa 15 Minuten nochmals eine handvoll. Hat der Zoll wohl durchgehend geöffnet? Noch fahren Autos und Lkws in beide Richtungen. Einige Lkws lichthupen und winken mir zu. Kurz vor 19 Uhr lege ich wieder einen Stopp ein. Ich fülle die Flaschen mit Wassersackwasser, hole den restlichen Proviant aus der Proviantkiste. Ich bin nun auf 1702m.ü.M. es ist schon recht kalt, ich lege die langen Ärmel unter der Regen-/Windjacke an. Immerhin kein Regen oder Schnee mehr, bis jetzt. Es sieht aber recht gut aus im Himmel. Der Schnee liegt nur am Wegrand. Er ist schon älter und meist nicht mehr besonders weiss. Nach etwa einer Viertelstunde fahre ich weiter. Mein Notprogramm steht auch: Zelt aufbauen, Feuerchen machen. In der vorhandenen leeren Coladose Wasser kochen, ich habe noch zwei Tütensuppen. Das wäre das Abendessen. Erdnüsse gäb's zum Frühstück.
Aber so weit bin ich noch nicht, nach der Pause geht es gleich etwas besser und so viele Höhenmeter können es nicht mehr sein. Und nach der nächsten Kurve ist der montenegrinische Grenzposten. Um 19.15 verlasse ich Montenegro bereits wieder, nach nur etwa viereinhalb Stunden Aufenthalt. Und dann geht's aber gleich weiter aufwärts. Ich spüre meine Zehen nur noch halbwegs. Ich bin definitiv in den Bergen, die ich heute Nachmittag noch zuckersüss fand. Aber die Laune hält noch, es ist noch hell, eine Grenze habe ich geschafft, ich bin fast oben... Es wird sicher eine Nachtfahrt geben, aber damit habe ich gerechnet.
Und dann habe ich die Höhe erreicht. Den Höhepunkt. Die Aussicht ist gewaltig. Es ist einer dieser unbezahlbaten Augenblicke. Kein Foto kann dies festhalten, keine Worte können das beschreiben. Nun geht es abwärts. Schnell abwärts. Die Strasse ist gut, kaum Löcher. Wenn das so bleibt ist die Abfahrt auch im Dunkeln gut machbar. Und dann kommt der kosovarische Grenzübergang. Kurz nach acht Uhr. Der Stempel muss erst noch aus dem anderen Häuschen gebracht werden, einige Minuten warten. Dann bin ich zum ersten Mal im Kosovo. Die Abfahrt geht weiter, es ist ziemlich kühl. Noch vor dem Grenzübergang habe ich das Licht eingeschaltet, nun macht es mich nicht nur sichtbarer, sondern hilft mir auch allmählich selbst etwas zu sehen. Es dunkelt ein, ist aber noch nicht finster. Der Blick ins Tal, in die unten liegende Ebene, ist grandios. Noch etwa 20Km, die Zahl sinkt rasch bei der Abfahrt. Manchmal ist warme Luft spürbar. Dann plötzlich wieder eine kalte Luftblase. Einmal hängt die Kette noch aus, kurze Sache, dann geht's weiter. Bis ich die Ebene erreiche. Ich trete selbst wieder in die Pedale, das wärmt auf. Aber ich freue mich, wenn ich in knapp 10Km das Ziel erreicht habe. Mittlerweile ist es dunkel. Mond und Sterne sind sichtbar. Und die Silhouette der Bergkette. Es erinnert mich an die Abfahrt in Albanien auf der Balkan-Velo-Tour II. Es war aber deutlich wärmer damals. Nun ist sie da, die Nachtfahrt. Auch dies gehört ja schon fast zu einer Tour, mindestens einmal. Im letzten Jahr war es einfacher, da war ja fast durchgehend hell, bis Mitternacht sowieso :-) Das ist jetzt nicht der Fall.
Dann erreiche ich Pejë. Wirkt relativ dunkel, ausser einigen Leuchtreklamen kaum Beleuchtung. Im Zentrum dann aber etwas nehr. Hier finde ich bald ein Hotel und checke kurz vor halb zehn Uhr ein. Eine schnelle Dusche und dann dringend etwas essen! Das gibt es günstig im nahen Zentrum. Dann wieder ins Hotel und schreiben.
Morgen will ich die Rugova-Schlucht hochfahren, vielleicht übernachte ich dann nochmals in Pejë und fahre erst übermorgen nach Prishtina...

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