Mittwoch, 3. Mai 2017

Mittwoch, 03. Mai 2017 (Tag 7): "Begegnungen, Hagel, Platte & Minarette"



Wie geplant bin ich heute recht früh, so gegen sieben Uhr aufgestanden, was gestern auch um neun schon im Bett. Nach dem Frühstück gepackt, ausgecheckt, Velo bepackt und dann noch in einer Bäckerei etwas Proviant eingekauft. Um etwa 08.45 Uhr bin ich dann losgefahren. Für heute sind 120Km mit über 1000 Höhenmetern vorgesehen, bis nach Rožaje in Montenegro.
Die ersten rund 10Km sind noch munteres Einfahren, flach, teilweise etwas abwärts. Dann beginnt langsam der Anstieg, zeitgleich wechselt die Strasse zu unbefestigt. Aber es geht gut zu fahren. Und einmal mehr landschaftlich toll, grandiose Aussichten. Sanfte Hügel, teilweise bewaldet. Sieht fast flauschig aus. So fahre ich relativ gemütlich hoch und komme, den Umständen entsprechend, gut vorwärts. Zahlreiche idyllische Bachläufe säumen den Weg. Immer wieder raschelt es am Wegesrand, Echsen verschwinden in den Blättern, gestern habe ich zwei grosse, grasgrüne gesehen, aber sie sind zu schnell zum Fotografieren. Dafür habe ich gestern eine kleine Schlange gesehen und fotografiert... Die Art konnte ich aber (noch) nicht herausfinden. Es ist sonnig und warm, in der Ferne ziehen aber dunkle Wolken auf. Die Strasse, mittlerweile wieder befestigt, fährt sich gut und es hat nur sporadisch Verkehr.
So um halb zwölf, nach knapp 30Km, hält ein entgegenkommendes rotes Auto. Der Fahrer spricht Deutsch, er sei als Lkw-Fahrer viel durch Deutschland gefahren. Er erkundigt sich über meine Fahrt und verabschiedet sich dann. Ich fahre weiter und erreiche kurz darauf den ersten "Pass". Neben einem Teich ist hier ein Rastplatz mit Kinderspielplatz angelgt, sogar kleine Holztipis hat es da :-) Ich fahre gleich weiter, es geht nun abwärts. Aber nicht all zu lange, dann geht es wieder eben und bald wieder mit leichter Steigung weiter. Und die Strasse hat erneut auf unbefestigt gewechselt. Ich bekomme langsam Hunger, überhole einen Hirten mit seiner Schafherde. Etwas weiter durchfahre ich einen ehemaligen Wintersport-Drehpunkt, es stehen hier jedenfalls zahlreiche alte Gondeln, Sessel und Teile der zugehörigen Bahnen herum. Auch einen dastehenden Mann kreuze ich. Kurz darauf mache ich bei einem Brunnen Mittagsrast, es ist kurz nach halb eins.
Während dem Essen schlendert der Mann zu mir, wir unterhalten uns ein wenig, ohne dass wir eine gemeinsame Sprache haben. Er sei Baggerfahrer, wenn ich das richtig verstanden habe und er wartet auf zwei (Arbeits)kollegen. Mittlerweile ist auch der Schafhirte mit seinen Schafen eingetroffen. Und in der näheren Ferne ist Donnergrollen zu hören. Erste Regentropfen spürbar, so dass ich vorsichtshalber Regenkluft für mich und das Velo montiere. Nicht voll, aber das Minimum.
Der Hirte zieht weiter, der Mann verabschiedet sich und spaziert zurück. Kurz darauf fahren seine Kollegen mit jeweils einem kleinen Lkw durch. Und ich fahre weiter. Es beginnt fester zu tropfen und ich entscheide mich doch, umfassendere Vorkehrungen zu treffen. Doch die guten Regenkleider sind zu tief in den Taschen und der Regen nimmt zu. Also so weiter fahren, sonst ist der Tascheninhalt auch noch nass. Und kurz darauf schifft es in Strömen und es wechselt zu Hagel. Es ist nicht sehr angenehm so zu fahren und die Hagelkörner pfitzen an den ungeschützten Beinen. Das Ganze wird von beinahe ununterbrochenem Geblitze und Gedonner begleitet. Nach einer Kurve steht eine Hütte mit Vordach. Ich lasse mich nicht zwei mal bitten und stelle mich unter.
Es sieht nicht so aus, als ob es je wieder aufhören würde, Blitz und Donner sorgen weiter für Stimmung. Zumindest der Hagel hört nach einer Weile auf. Und langsam nimmt doch auch der Regen leicht ab. Ich habe mir schon vorgedtellt, unter dem Vordach zu schlafen... Doch nun werde ich weiter fahren, nass bin ich schon und ich habe die langen Hosenbeine nun wieder montiert. So fahre ich auf der unbefestigten Strasse, teilweise eher Bach, im Regen weiter, es liegen noch haufenweise Hagelkörner herum. Es ist eine Premiere, ich bin noch nie bei Hagel gefahren :-D Mittlerweile ist es schon nach halb zwei und für meinen ursprünglichen Plan bin ich etwas im Verzug, erst 40Km habe ich geschafft, noch 80 vor mir und noch zwei Steigungen... Aber eins nach dem andern. Jetzt fahre ich weiter und schaue, was sich ergibt. Noch immer ging alles irgendwie auf am Ende... und wer hätte gedacht, dass just im Moment des Hagels eine Hütte auftaucht, also wird sich auch für die weitere Fahrt etwas auftun ;-) Der Regen hat mittlerweile nachgelassen, Hirte und Herde habe ich erneut überholt, schulterzuckend und zum Himmel zeigend, lachend. Das Donnergrollen geht weiter, aber nicht mehr ganz so nah. Und bald schon wird es wieder etwas heller. Es geht immer noch bergauf, die unbefestigte Strasse ist ein gutes Bachbeet und die Hagelkörner liegen immer noch in unzählbaren Mengen dazwischen, es knirscht beim Durchfahren. Die Sonne schickt bereits wieder erste Strahlen und die Vögel nehmen ihr Gezwitscher wieder auf. Bald erreiche ich den nächsten Pass, der Mann von vorhin hat das schon angekündigt. Die Aussicht von hier ist wieder überwältigend, besonders mit dem Wetterschauspiel. Links noch dunkel und gewittrig, weiterhin sind Donner hör- und Blitze sichtbar. Rechts dafür ist es hell und das Wetter eher sonnig-warm. Ich befinde mich nun auf der helleren Seite.
Jetzt geht es abwärts, eine richtige Abfahrt ist es jedoch nicht, es gehört bei diesen Strassenverhältnissen und grundsätzlich bei unbefestigten Strassen, höchste Konzentration und ununterbrochenes Bremsen dazu. Das geht in die Handgelenke. Trotzdem geniesse ich das Fahren eigentlich weiterhin. Gerade als ich mir überlege, die Kapuze zu entfernen, es ist doch wieder recht warm, beginnt es wieder leicht zu tropfen. Also keine Veränderungen vornehmen. Ich bewege mich aber weiter in helles Gebiet und die Tropfen sind bald wieder zu Ende.
Und dann sehe ich, dass ich mich auf eine asphaltierte Querstrasse zubewege. Nun, mein Weg kreuzt diese nur. Zumindest wenn ich meinen Plan weiter verfolge. Es ist kurz nach drei Uhr. Noch 70Km und zwei Steigungen zu machen, das Gewitter noch im Nacken. Die Teerstrasse führt nach Novi Pazar. 36Km. Novi Pazar. Das Navi gibt mir eine alternative Strecke dahin an, nicht über die Hauptstrasse. Wäre sicher schöner zu fahren. Trotzdem entscheide ich mich nach längerem Überlegen für Teer. Es geht gleich um einiges schneller und angenehmer abwärts. In der Ferne sind die ersten Moscheen erkennbar, die filigranen Minarette strecken sich 'gen Himmel. Und bald habe ich den nächsten Ort erreicht. Hier nochmals die Möglichkeit, auf die Alternativroute zu wechseln. Rožaje als Tagesziel habe ich endgültig abgehakt, Novi Pazar ist das neue Ziel. Und ich rechne, bei ~10Km/h, was auf unbefestigter Strasse zügig ist, hätte ich noch etwa vier Stunden, das könnte machbar sein. Also wechsle ich. Es geht gleich wieder auf Kieswege. Mitten durch den Ort. Und dann kommt schon eine Steigung. Die ist auf dem nassen Kies nicht fahrend zu bewältigen. Ich schiebe das Velo hoch. Ziemlich anstrengend. Oben ist eine Kreuzung, rechts geht es weiter auf dem Alternativweg, die nächste Steigung schon in Sicht. Links geht es abwärts auf die geteere Hauptstrasse. Letzte Möglichkeit. Und jetzt gehe ich kein Risiko mehr ein, abwärts zur Hauptstrasse. Etwas befahrener, weniger impossante Aussichten, dafür Ankunft bei Licht, zügigeres Vorankommen. Vor kurzem habe ich gedacht, mal sehen was sich ergibt. Man muss das Schicksal nicht immer herausfordern :-) Es hat sich eine Teerstrasse ergeben, ich nehme das Angebot an. Zuerst noch sehr steil auf dem Kiesweg nach unten, dann auf die Hauptstrasse. Diese hat das Gewitter auch zu spüren bekommen, überall liegt Kies auf der Strasse... Es geht abwärts in zahlreichen Serpentinen. Es geht voran. Bald sind es noch 20Km. Aber ich fahre wieder auf das Gewitter zu, das Donnergrollen wird lauter, die grauschwarze Wand kommt näher. Na gut, werde ich halt nochmals nass... Mir geht durch den Kopf, dass der Schlauch nun gut gehalten hat, ich habe den Druck jeweils morgens geprüft, kein Luftverlust mehr feststellbar seit dem Wechsel vor einigen Tagen. Hätte ich nur nichts dergleichen gedacht. Kurz darauf schwankt das Velo. Mir ist klar, das kann nur eine Platte sein. Sofort rechts raus, ich höre und sehe noch das Zischen der letzten entweichenden Luft. Und schon spüre ich erste Tropfen, es donnert über mir. Schnell mache ich vorwärts, Regenschutz weg, Saccochen ab, Werkzeug hervor, Regenschutz halbwegs über die Saccochen am Boden, Rad ab. Und schon schifft's wieder. Und weils zuvor schon so schön war, kommen auch nochmsls einige Hagelkörner mit. Nun, es bleibt mir keine wahl, pflotschnass mache ich weiter, wechsle den Schlauch, kontrolliere Reifen und Felge auf irgendwelche Spitzen (man lernt aus der Vergangenheit...), pumpe wieder auf, baue das Rad wieder ein und montiere die Saccochen wieder. Dann kann es, bei weiterhin strömendem Regen, weitergehen. Mehrheitlich geht es abwärts, zwischendurch kurze Anstiege. Und bald lässt der Regen wieder nach. Wieder kehrt die Sonne zurück. Wieder zwitschern die Vögel. Die Km bis Novi Pazar werden weniger, der Schlauch hält und ich bin weiterhin gar nicht schlecht gelaunt. Dann kommen die Vororte, da sieht es trocken aus, wohl ganz vom Gewitter verschont geblieben. Und dann fahre ich in Novi Pazar ein. Entlang der Raška befinden sich viele Kaffees, es wirkt freundlich, sauber, belebt. Und ich finde rasch ein Hotel, das Hotel Vrbak, zu Deutsch Weidenhain, etwa um halb sechs checke ich ein.
Eine warme Dusche, etwas Ausruhen. Dann noch etwas zu Abend essen gehen. Das Städtchen hat ein besonderes Flair, ein Hauch von Orient ist zu spüren. Moscheen, der Duft von Nargile. Es wäre schade gewesen, hätte ich Novi Pazar verpasst. Also Ende gut, alles gut :-)
Ausmahmsweise konnte ich das abendessen nicht mit Karte bezahlen, sonst wird man praktisch überall gefragt "cash or card", meist bezahle ich cash, da ich für heute jedoch die Ausreise aus Serbien geplant hatte, liess ich die Dinar-Reserve ausgehen. Der Kellner war so nett und hat mich zum Banomaten begleitet, so dass ich Pizza, cola und Latte Macchiatto im Gesamtwert von knapp CHF 5 (RSD 560) doch noch begleichen konnte. Dann ging's zurück ins Hotel, schreiben schlafen, wie immer :-)

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